Einleitung  Römerzeit  Mittelalter      Die Großen Herzöge:  1. Aufstieg  2. Höhepunkt  3. Niedergang 


Die "Großen Herzöge" aus dem Haus Valois

2. Der Höhepunkt

Der Gegensatz der beiden Parteien verschwand aber nicht, besonders nach Philipps Tod 1404 versuchte Ludwig seinen nun bedeutend größeren Einfluß beim König gegen Burgund einzusetzen, dessen Herzog mittlerweile Johann ohne Furcht war. Alsbald geriet Frankreich immer mehr an den Rand eines inneren Krieges, dem die Engländer zwar erst noch still, aber sicherlich mit nicht geringer Freude zusahen. Johann weigerte sich so auch, den König im Kampf gegen England zu unterstützen, er zog sogar mit 5000 Bewaffneten in Paris ein, um seine Weigerung zu bekräftigen.
1407, anscheinend der ewigen gegen ihn gerichteten Aktivitäten überdrüssig, ließ er Ludwig von Orleans ermorden. Damit konnte der beginnende innerfranzösische Krieg aber nicht aufgehalten werden, im Gegenteil wurde der Konflikt zwischen den Anhängern des Hauses Orleans (später nach ihren Hauptprotagonisten Armagnacs genannt) und Burgund immer härter.
Die Engländer konnten während dieser Wirren die Normandie erobern, Johann herrschte über den restlichen Norden Frankreichs und Paris, hatte somit auch den König in seiner Gewalt. Widerstand gegen Burgund und England kam vor allem aus dem Zentrum und dem Südwesten. 1415, bei der Schlacht von Azincourt, stellte sich Johann das erste Mal offiziell an die Seite der Engländer. Diese Schlacht endete mit einer vernichtenden Niederlage für die Gegenpartei, der Führer des Hauses Orleans wurde gefangengenommen, und nun durch seinen Schwiegervater Bernhard von Armagnac vertreten. Burgund gegen Armagnac, diese langandauernde Fehde zeichnete sich durch besondere Grausamkeit aus, für die vor allem die Armagnacs geradezu sprichwörtlich wurden. Aber auch Johann war nicht zimperlich, wie er bei einem Massaker an der Pariser Bevölkerung bewies. So rieben sich die Franzosen gegenseitig auf, sehr zur Freude der Engländer, die sich so immer weiter in Frankreich festsetzen konnten. 1419 fiel Johann von Burgund wie Ludwig von Orleans einem Mordanschlag zum Opfer, sein Sohn Philipp der Gute stellte sich aus Rache ganz auf die Seite der Engländer.
1420 hatten die Engländer beinahe vollkommen gesiegt, in einem Friedensabschluß fiel das ganze Land an sie. Karl VI. verlor seinen Thron, der englische König heiratete dessen Tochter und nahm selbst den Titel eines französischen Königs an, und es schien auf eine Vereinigung der beiden Königreiche hinauszulaufen.
Südlich der Loire existierte aber noch das sogenannte Königreich von Bourges, das treu zu dem Dauphin hielt. Burgund schloß mit England 1423 einen formalen Friedensvertrag, was die Stellung des englischen Königs in Frankreich erst einmal festigte. 1429 verursachte aber das Erscheinen der Jeanne d'Arc eine neuerliche Wende. Ihr Beispiel und die Krönung des Dauphins zu Karl VII. in der Kathedrale von Reims lösten anscheinend so etwas wie einen nationalen Schub aus, auch wenn bis dahin das Nationalverständnis in ganz Europa noch nicht so weit ausgeprägt war. Aber sicherlich enstand hier in Frankreich langsam so etwas wie ein Nationalstaat, wenn die Entwicklung auch erst einem zarten Pflänzchen glich. Plötzlich war aller andersrum, Karl VII. bis dato in seine kleinen Loire-Städtchen zurückgedrängt gewann plötzlich die Initiative, auch die Gefangennahme und Auslieferung Jeannes an die Engländer - die sie bald hinrichteten - durch die Burgunder änderte daran nichts. Vielleicht gab ihr Märtyrertod der Königspartei sogar eher noch Auftrieb. Durch ein Bündnis Karls VII. mit dem deutschen Kaiser noch zusätzlich in die Zange genommen, war Philipp der Gute 1435 zu einem Bruch der Allianz mit England bereit. Aber wieder einmal hatte ein Burgunderherzog den Umschwung noch rechtzeitig gespürt und zu seinem eigenen Vorteil mitgemacht. Und dieser Vorteil war beträchtlich, Burgund erhielt Luxemburg, Holland, das Hennegau und einige kleine Gebiete als Zugewinn und trat nun wirklich in seine Blütezeit ein. Dem reichsten und vielleicht auch mächtigsten Hof Europas stand nun ein Herzog vor. Der Glanz des burgundischen Hofes spiegelt sich auch heute noch in zahlreichen Gebäuden nieder, sicherlich auch im eigentlichen Burgund, in dem mit Dijon ja die glanzvolle Haupstadt lag, aber auch immer mehr in den bedeutenden nördlichen Gebieten, die mittlerweile einen Großteil des Landbesitzes und vor allem des Reichtums repräsentierten.
Die Engländer waren mittlerweile in Frankreich auf verlorenem Posten, ohne den Verbündeten Burgund verloren sie eine Stellung nach der anderen. Auch wenn der Krieg noch bis 1453 andauerte, war er doch schon jetzt für England verloren. Bald schon hielten sie nur noch die Gascogne im Südwesten, aus der sie dann 1453 endgültig vertrieben wurden. Ihnen blieb nur noch die Stadt Calais, die sie allerdings noch über 100 Jahre halten konnten.

Burgund war nun endgültig auf dem Höhepunkt seiner Pracht und Macht angelangt. Ein sichtbares Zeichen dafür war auch die von Philipp dem Guten 1429 gestiftete Ritterschaft vom Goldenen Vlies, bis heute einer der elitärsten Clubs der Welt. Aber auch ein netter Trick, sich die Großen seines Landes, die als Mitglieder des Ordens den Eid ablegten, dem Großmeister - natürlich Philipp selbst - ewige Treue zu leisten, ganz besonders zu verpflichten.

3. Der Niedergang

Die Rivalität mit dem französischen König war aber damit natürlich nicht beendet, im Gegenteil, nach dem Friedensschluß wurde sie entsprechend dem Machtzuwachs des Königs immer heftiger. Dieser, frei vom Druck des Hundertjährigen Krieges, machte sich nämlich daran, den Staat zu einen, worunter er natürlich verstand: unter seiner Herrschaft zu einen. Der Sohn Karls VII, Ludwig XI - 1461 auf den Thron gekommen - nahm dies bald in Angriff. Burgund war natürlich nicht sein einziges Problem, es gab eine ganze Reihe von großen Dynastien an den Spitzen von Lehnsfürstentümern, wenn auch keines den Rang Burgunds erreichte. Zumal Burgund immer mehr ein eigenständiges Gebilde werden sollte, waren doch auch einige seiner Besitztümer, bald sogar der größte Teil gar nicht in Frankreich sonden im Deutschen Reich gelegen und somit der französische König nur noch zu einem kleiner werdenen Teil Lehnsherr der burgundischen Herzöge.
Während der König vor allem den kleineren Adel, die Städte und das aufkeimende Bürgertum auf seiner Seite hatte, die sich von einem geeinten Staat zu Recht Vorteile versprachen, bildeten die Großvasallen eine "Liga für das Gemeinwohl" gegen die Bestrebungen der Krone. War Selbstironie schon damals bekannt?
Auf jeden Fall erzielte Ludwig XI. 1465 erst einen Erfolg und schlug Berry, Bourbon und Auvergne, mit Burgund lieferte er sich eine unentschiedene Schlacht. Die Burgunder führte bei dieser Schlacht Karl der Kühne, der 1466 seinem Vater Philipp dem Guten nachfolgen sollte.
Trotzdem war Ludwig XI. gegen die großen Lehnsfürsten so weit in der Defensive, daß er in einem Friedensvertrag die Normandie abtreten mußte und die Rebellen amnestierte. Ein halbes Jahr später konnte er zwar- nachdem es ihm gelungen war, seine Gegner zu entzweien - die Normandie zurückgewinnen, aber damit war Burgund keineswegs geschwächt. Allerdings war es ein Trick, der Karl den Kühnen wieder in die Vorderhand brachte. Er lud den König in die Stadt Péronne ein und ließ sie dann heimlich von einem burgundischen Heer besetzen. Daraufhin zwang er dem König große Zugeständnisse ab, sowohl territoriale als auch rechtliche.
Karl der Kühne war der schillerndste und vielleicht auch berühmteste der großen Burgunderherzöge, vielleicht auch gerade aufgrund des unglücklichen Verlaufes seiner Regierungszeit. Sicherlich spielte nicht nur das Glück sondern auch seine Unfähigkeit eine Rolle, aber, betrachtet man es mal umgekehrt, wann gab es in dieser Epoche und überhaupt in der Geschichte schon einen wirklich fähigen Herrscher und nicht nur einen nicht ganz unfähigen, der ein bißchen Glück hatte? "der Große" sollte in der Geschichte eigentlich meist besser " der nicht ganz so Unfähige" heißen, aber das nur am Rande, schließlich war Karl ja auch nur "der Kühne".
Der erste, recht hinterlistige, Erfolg von Péronne sollte aber Karls letzter wesentlicher bleiben. Ludwig XI. erwies sich diplomatisch weit überlegen und die gewonnenen Erfahrungen und technischen Neuerungen vor allem bei der Artillerie des französischen Heeres während des langen Krieges taten ihr übriges. 1470 brach der Konflikt wieder offen aus und wurde zuerst von vielen kleinen Geplänkeln und Schlachten geprägt, die meist für den französischen König den besseren Ausgang nahmen. 1475 begann eine Generaloffensive der Franzosen gegen Burgund an dessen Ende das burgundische Heer vollkommen geschlagen wurde.
Die Macht Burgunds war gebrochen, aber vielleicht hätte Karl der Kühne noch einen Teil dieser Macht oder zumindest seiner Gebiete retten können, wäre er klüger gewesen. Denn Ludwig XI. setzte nach seinem großen Erfolg nicht militärisch nach, sondern nutzte diplomatisch die Fehler Karls aus. Dieser, als hätte er nicht schon genug Probleme und Kämpfe, besetzte nämlich 1475 das zum Deutschen Reich gehörende Herzogtum Lothringen. Damit machte er sich nicht nur den Herzog von Lothringen sondern auch den Deutschen Kaiser zum Feind, der ihn bald - beeinflußt von Ludwig XI. - als Bedrohung betrachtete. Zu guter Letzt traten auch noch die Schweizer Eidgenossen gegen Karl in den Kampf, die territorialen Ausweitungen der Burgunder an ihren Grenzen wollten sie nicht hinnehmen. Sie besiegten die Burgunder mehrfach, 1477 fiel Karl der Kühne in der Schlacht bei Nancy. Damit war die Zeit der großen Burgunderherzöge vorbei, in Anbetracht ihrer Stellung noch vor zwei Jahrzehnten sogar auf sehr schmähliche Weise. Frankreich beanspruchte Burgund als heimgefallenes Mannslehen, der Rest der ehemalig burgundischen Besitzungen ging nach einigen Auseinandersetzungen an die erbberechtigten Habsburger. Auch die zuerst von den Franzosen besetzte Franche-Comté wird an die Habsburger zurückgegeben.

Die Franche-Comté bleibt noch über Jahrhunderte ein Zankapfel zwischen den Franzosen, dem Deutschen Reich und auch den Spaniern, deren habsburgische Herrscher sich immer wieder in Erbstreitigkeiten einmischten. Das eigentliche Burgund, entsprechend der heutigen französischen Region, hat keine eigene politische Geschichte mehr, sondern ist nur noch eine von vielen Regionen in Frankreich.

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